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Multiple Sklerose ist eine Ausschlussdiagnose – es gibt somit nicht die eine Untersuchung, den einen MS-Test oder klare Biomarker wie z.B. Blutwerte mit deren Hilfe eine MS sicher diagnostiziert werden kann. Grundlegend für die Diagnose sind vor allem die Schubaktivität und Magnetresonanztomografie(MRT-)Befunde.1 Wichtige Kriterien sind dabei die „räumliche Dissemination“ und die „zeitliche Dissemination“. Damit ist eine Trennung in Raum und Zeit gemeint: "Räumliche Dissemination" bedeutet eine Verteilung der Symptome und/oder der entzündlichen Aktivität auf verschiedene Bereiche des zentralen Nervensystems. "Zeitliche Dissemination" meint zwei voneinander getrennte sprich mindestens 30 Tage zwischen zwei Läsionen (Kontrastmittel).2

Um Krankheitsaktivität oder auch unerwünschte Begleiterscheinungen der Therapie festzustellen, werden Ärzt*innen verschiedene Verlaufsuntersuchungen vornehmen. Dazu gehören zum Beispiel neurologische Untersuchungen, Blutanalysen und Untersuchung des Nervenwassers, sowie die Durchführung einer Magnetresonanztomografie (MRT).2

Anamnese und neurologische Untersuchungen

Als „Erkrankung mit den 1000 Gesichtern“ kann MS während und nach Schüben die verschiedensten neurologischen Symptome hervorrufen. Zu den Untersuchungen, die Neurolog*innen durchführen, gehören neben einer gründlichen Anamnese daher beispielsweise die Überprüfung der Sensibilität und das Feststellen fehlender oder ungewöhnlicher Reflexe. Oft wird die Fähigkeit der Nerven, Signale weiterzuleiten, mit der Methode der evozierten Potenziale gemessen, einer speziellen neurophysiologischen Untersuchungsmethode.3

Meist werden die folgenden Körperfunktionen überprüft, um neurologische Ausfallerscheinungen festzustellen:3

  • Sehfähigkeit
  • Gleichgewichtssinn
  • Reflexe
  • Gangbild
  • Kraft
  • Koordinationsfähigkeit
  • Sensibilität

Magnetresonanztomografie (MRT)

Die Magnetresonanztomografie (MRT), auch Kernspintomografie genannt, gehört zu den zentralen Diagnosemethoden bei Multipler Sklerose. Mit ihrer Hilfe kann die Entzündungsaktivität in Gehirn und Rückenmark ermittelt werden. Außerdem kann die Untersuchung dafür genutzt werden, um andere mögliche Ursachen für neurologische Ausfallerscheinungen, wie B. Gehirntumore, auszuschließen.2

MS-Patient*innen können die Untersuchung „in der Röhre“ als unangenehm empfinden. Daher hilfreich sein, sie über Funktionsweise und Nutzen der MRT gut aufzuklären.

So funktioniert die MRT

Mit der MRT lassen sich detaillierte Schnittbilder von Organen wie dem Gehirn und von Weichteilgeweben wie Nervengewebe oder Blutgefäßen erstellen. Dabei können mittels Kontrastmittel frische Entzündungen von alten, narbig abgeheilten Entzündungsherden im Gehirn unterschieden werden.2 Entzündungsherde werden oft als MRT-Läsionen bezeichnet.

Das Gute daran: Bei einer MRT-Untersuchung wird man von potenziell belastender Strahlung komplett verschont. Stattdessen arbeitet die Magnetresonanztomografie vor allem mit starken, ständig wechselnden Magnetfeldern. Dadurch kommen die oft lauten und unterschiedlichen Klopfgeräusche des Geräts zustande. In der Regel dauert eine MRTUntersuchung des Kopfes maximal eine halbe Stunde.

Häufigkeit von MRT-Untersuchungen

Zur Diagnosestellung bei MS werden meist MRT-Bilder von Schädel und Rückenmark erstellt. Diese dienen der Diagnosesicherung und als Ausgangsbefund, um im Fall eines Fortschreitens der Erkrankung Vergleichsaufnahmen zu haben.2 Deswegen werden die Untersuchungen nach einem standardisierten Protokoll durchgeführt. Im weiteren Verlauf der Erkrankung entscheiden die Behandler*innen über die Häufigkeit der Untersuchungen. Üblicherweise wird eine Kontroll-MRT sechs und 18 Monate nach Behandlungsbeginn empfohlen.2

Mit oder ohne Kontrastmittel?

Der Einsatz von Kontrastmittel (Gadolinium) ist nicht bei jeder MRT erforderlich. Kontrastmittel kann in bestimmten Fällen hilfreich sein, um neue Hirn-Läsionen und akutes Entzündungsgeschehen im ZNS aufzuspüren. In der Regel wird die MRT-Diagnostik dann mit Kontrastmittel durchgeführt, wenn es sich um die erste Untersuchung im Rahmen der MSDiagnostik handelt oder wenn längere Zeit keine MRT durchgeführt wurde.2,4

Nutzen einer MRT-Untersuchung

Es gibt drei wichtige Aspekte, mit denen sich Patient*innen im Vorfeld einer MRTUntersuchung auseinandersetzen sollten. Dabei geht es darum, sich selbst klar zu machen, die MRT-Untersuchung sinnvoll ist:

  • MRT-Bilder helfen beim Erstellen aussagekräftiger Diagnosen. Mittels regelmäßiger Untersuchungen werden eventuelle Entzündungsherde des Gehirns sichtbar, bevor sich die Symptome bemerkbar machen.5
  • Die Aufnahmen zeigen, in welchen Regionen des zentralen Nervensystems Entzündungsherde liegen (räumliche Dissemination) Diese Information kann zur Diagnose einer MS erforderlich sein.2
  • Ärzt*innen aktuelle mit vorangegangenen MRT-Aufnahmen (zeitliche Dissemination). Daraus lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob sich neue Krankheitsherde im Gehirn entwickelt haben – und inwieweit die aktuelle Behandlung die MS im Griff hat oder ein Wechsel der medikamentösen Therapie angebracht ist.2

Untersuchung Nervenwasser (Liquor)

Besteht die Vermutung, dass eine Multiple Sklerose hinter Beschwerden der Patient*innen stecken könnte, veranlassen meist Neurolog*innen auch eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) im Labor. Auffälligkeiten in dieser Flüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark umfließt, können Hinweise auf entzündliche Prozesse im zentralen Nervensystem liefern.2

Entnahme dem Wirbelkanal

Damit der Liquor analysiert werden kann, muss eine Lumbalpunktion vorgenommen werden. Hierfür führen Ärzt*innen auf Höhe der unteren Lendenwirbelsäule zwischen den Wirbelkörpern eine spezielle Hohlnadel in den Wirbelkanal ein und ziehen Flüssigkeit (Liquor) ab. Dazu müssen sich Patient*innen in sitzende Position oder Seitenlage begeben und möglichst einen runden "Katzenbuckel" machen.6

Der Vorgang ist in der Regel weitestgehend schmerzarm und birgt kein Risiko für permanente Nebenwirkungen, weil der Wirbelkanal unterhalb des Bereichs punktiert wird, über den sich das Rückenmark erstreckt. Es werden wenige Milliliter Flüssigkeit entnommen, die der Organismus schnell wieder ersetzen kann.6

Im Anschluss an die Untersuchung kann es jedoch zum Beispiel zu Kopfschmerzen kommen. Wenn dünne, atraumatische Punktionsnadeln verwendet werden, kommt diese Nebenwirkung seltener vor. Nach der Punktion kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, dass Patient*innen für eine Weile mit erhöhten Beinen liegen.6

Oligoklonale Banden

Bei einer MS sind bestimmte Leukozyten oft leicht bis mäßig stark vermehrt. Außerdem kommt es zu einer gesteigerten Produktion bestimmter Antikörper (Immunglobulin G) über einen längeren Zeitraum. Sind Antikörper vorhanden, lassen sie sich oft als sogenannte isolierte oligoklonale Banden bei MS-Patient*innen im Nervenwasser nachweisen und sind ein Diagnosekriterium für die „zeitliche Dissemination“.2

Kontrolle der Blutwerte

Spezielle Laborwerte zur eindeutigen Diagnose der Krankheit in einer Blutprobe gibt es nicht. Auch wenn der Multiplen Sklerose entzündliches Geschehen zugrunde liegt, sind typische Entzündungswerte oder das einfache Blutbild nicht zwingend auffällig und geben keine klaren Hinweise auf die Erkrankung. Zur Differentialdiagnose können bestimmte Marker jedoch relevant sein, um z.B. Borreliose oder Syphilis und andere Immunerkrankungen wie Lupus auszuschließen.2 Außerdem sind sie Bestandteil der Routinekontrolle von verlaufsmodifizierenden Therapien.

Darum sind Blutwerte wichtig

Im Rahmen von allen verlaufsmodifizierenden MS-Therapien sind regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen empfehlenswert oder sogar vorgeschrieben.2 Denn die Wirkstoffe greifen in das Immunsystem des Körpers ein: Dort unterdrücken sie entweder die Funktion bestimmter Immunzellen oder programmieren die Immunantwort des Körpers um.7

MS-Medikamente beeinflussen vor allem eine bestimmte Untergruppe der Leukozyten oder weißen Blutkörperchen, die sogenannten Lymphozyten. Diese sind ein wichtiger Bestandteil der erworbenen Immunität und auch verantwortlich für Autoimmunreaktionen, wie sie bei MS vermutet werden. Die Behandlung der MS hat daher häufig das Ziel, die Anzahl der Immunzellen zu reduzieren.7 Ihre Zahl sollte regelmäßig im Blut bestimmt werden.

Unter Therapie kann es mitunter zu unerwünschten Nebenwirkungen wie Infektionen mit Krankheitserregern kommen. Zudem können Medikamente manchmal auch bestimmte Körperfunktionen (z. B. der Schilddrüse oder der Niere) negativ beeinflussen.2 Ein engmaschiges Monitoring der Blutwerte gibt Patient*innen die Sicherheit, dass alles in Ordnung ist – und Ärzt*innen die Möglichkeit, frühzeitig geeignete Maßnahmen einzuleiten.

Referenzen

  1. Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie S2k-Leitlinie Diagnose und Therapie der Multiplen Neuromyelitis Optica Spektrum und MOGIgG- assoziierte Erkrankungen, in awmf.org [online] https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-050 [10.01.2023].
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) e. V. (2022): Leitlinie Multiple Sklerose für Patientinnen und Patienten, in hirnstiftung.org,[online] https://hirnstiftung.org/2022/10/magazin-2-ms-patientenleitlinie/[10.01.2023].
  3. amsel – Das Multiple Sklerose Portal (2019): Diagnose der Multiplen Sklerose, in: amsel.de [online] https://www.amsel.de/multiple-sklerose/wasistms/diagnose/ [10.01.2023]. [online]
  4. amsel – Das Multiple Sklerose Portal (2020): Kontrastmittel beim MRT der Multiplen Sklerose, in: amsel.de [online] https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/kontrastmittel-beim-mrt/ [10.01.2023]
  5. Gavin Giovannoni et al. (2018): Brain Health – Keine Zeit verlieren bei Multipler Sklerose, in: msbrainhealth.org, [online] https://www.msbrainhealth.org/wp-content/uploads/2021/05/de-brain-health-time-matters-in-multiple-sclerosis-policy-report-2.pdf [10.01.2023]
  6. Hayrettin Tumani et al. (2019): Lumbalpunktion – Schritt für Schritt in: Neurologie up2date, 2: 22-28, doi: https://10.1055/a-0754-0920.
  7. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V. (2022) Was ist eine verlaufsmodifizierende Therapie?, [online] https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/ms-behandeln/therapiesaeulen/verlaufmodifizierende-therapie [10.01.2023]

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