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Grundlagen und Behandlung

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems und tritt meist im frühen und mittleren Erwachsenenalter auf. Sie zählt zu den Autoimmunerkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen den Körper selbst richtet. Die Nervenkrankheit ist bisher nicht heilbar, aber behandelbar.1

MS: Chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems

Bei MS greift das Immunsystem auf Grund einer Fehlfunktion körpereigene Zellen an, sodass die Schutzhülle der Nervenfasern zerstört wird.1

Bei Multipler Sklerose kommt es so an unterschiedlichen Stellen des ZNS zu Entzündungen, die häufig kleine Narben hinterlassen, sowohl im Gehirn als auch im Rückenmark. Diese sogenannten MS-Herde werden auch als Läsionen (Plaques) bezeichnet. Durch die Läsionen kann die Funktion der Nerven, elektrische Impulse weiterzuleiten, gestört werden. Dadurch werden Nervenimpulse verzögert oder gar nicht weitergeleitet.2

Auslöser und Symptome der Multiplen Sklerose

Wie sich die MS bei Betroffenen bemerkbar macht, ist individuell verschieden. Sprechen Sie mit Ihren Patient*innen über die individuellen Auslöser und Symptome. Die von den Entzündungen hervorgerufenen Symptome sind vielfältig und unterscheiden sich je nach betroffenem Hirn- oder Rückenmarksareal. Sie betreffen stets die Körperfunktionen, die von dort gesteuert werden und reichen von Kribbeln und Taubheitsgefühlen über Schmerzen bis hin zu Lähmungen. Ist der Sehnerv betroffen, können Sehstörungen die Folge sein.2,3

MS – Verlauf meist in Schüben

In den meisten Fällen verläuft eine MS in Schüben, es gibt jedoch auch schleichende, langsam fortschreitende Verläufe. Vor allem die Symptome der ersten Schübe zu Beginn der Erkrankung bilden sich aber oft vollständig wieder zurück. Bei der schubförmigen MS können auf einen Schub sehr lange Phasen ohne Krankheitsbeschwerden folgen. Diese Ungewissheit kann für manche Patient*innen sehr belastend sein, denn im weiteren Verlauf kommen häufig weitere Beschwerden hinzu.2,3

MS wird oft erst spät diagnostiziert

Als Autoimmunkrankheit mit vielen Gesichtern wird eine MS oft erst spät erkannt. Die Diagnose ist eine klassische Ausschlussdiagnose auf der Basis vieler Untersuchungen (z. B. neurologisches Assessment, Magnetresonanztomografie [MRT]). Den einen allgemein anerkannten Biomarker, anhand dessen man die Krankheit schnell und eindeutig feststellen kann, gibt es jedoch nicht.1

Frühzeitiger Beginn der MS-Therapie wichtig

Die Untersuchungen zur Entstehung der MS haben trotz großer Forschungsanstrengungen bislang noch keine klaren Ergebnisse gezeigt. Es existieren verschiedene Hinweise und Theorien. Immer noch gilt die Multiple Sklerose als nicht heilbar – aber die Krankheit ist inzwischen mit verschiedenen Therapien behandelbar. Um den Verlauf der MS abzumildern, empfehlen Fachgesellschaften, im Fall einer Erkrankung möglichst frühzeitig mit der Behandlung zu beginnen.4

Höchste Zeit, damit aufzuräumen: Vorurteile bei MS

Vorurteil: MS ist ansteckend.

  • Die Ursache von MS ist noch nicht geklärt. Was aber feststeht, ist, dass MS nicht ansteckend ist.1

Vorurteil: MS führt immer zu einem Leben im Rollstuhl.

  • Die Hälfte aller Betroffenen benötigt im 60. Lebensjahr keine Gehhilfe für eine Strecke von 100 Metern.5 Das liegt auch an den inzwischen guten Behandlungsmöglichkeiten.
     

Vorurteil: Bei MS ist die Lebenserwartung verkürzt.

  • MS ist eine chronische Erkrankung, deren Symptome das Leben der Betroffenen in erheblichem Maße einschränken kann. Trotzdem versterben MS- Patient*innen mittlerweile nicht mehr erheblich früher als gesunde Menschen.6
     

Vorurteil: MS bedeutet, kinderlos bleiben zu müssen.

  • Das Risiko, dass Kinder von MS- Patient*innen ebenfalls an MS erkranken, ist im Vergleich zu Kindern von gesunden Eltern nur leicht erhöht und liegt bei 2 bis 3 %.7 Bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind spielt der Aspekt der Vererbung somit eher eine untergeordnete Rolle. Zudem stellt die Erkrankung kein erhöhtes Risiko für Komplikationen während der Schwangerschaft und für die Geburt dar.8

Multiple Sklerose-Therapie: je früher, desto besser

Für die MS-Behandlung gilt: Je früher sie begonnen wird, desto günstiger ist die Auswirkung auf den Verlauf.4,9

Früher an Später denken MS-bedingte Entzündungsherde verursachen im Nervengewebe Schädigungen, die zu unterschiedlichen Störungen führen können. Gerade in den frühen Phasen der MS sind Entzündungs- und Schubaktivität besonders hoch. Je mehr Schübe in der Anfangsphase auftreten, desto höher ist das Risiko einer schnelleren Zunahme von Behinderungen.9

Eine MS-Therapie, die Entzündungen im Nervengewebe und die Häufigkeit und Schwere von Schüben von Anfang an effektiv verringert, kann die Zunahme von körperlichen Einschränkungen verlangsamen.9 Dies gelingt aber nur, wenn sie vor dem Eintreten von dauerhaften Schädigungen begonnen wird. Eine Therapie, die erst in einer spätere Krankheitsphase eingesetzt wird, ist in ihrer Wirksamkeit bereits deutlich eingeschränkt.9

Als MS-Nurse stehen Sie Ihren Patient*innen mit Rat und Tat zur Seite und können offene Fragen oder Bedenken über MS-Behandlungsmethoden, Nebenwirkungen und Risiken gemeinsam besprechen. In unserem eModul „Shared Decision Making“ können Sie Ihre Kompetenzen zu diesem Thema erweitern und wertvolle Fähigkeiten erlangen, damit eine Therapieentscheidung auf Augenhöhe geschieht, gemeinsam mit den Betroffenen und deren Angehörigen.

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Abb. 1: Beginnt die Behandlung der MS frühzeitig, kann die Zunahme körperlicher Einschränkungen verlangsamt werden (modifiziert nach 9).

Therapiebeginn nach dem ersten MS-Schub

Für alle MS-Therapien gilt: Je früher sie begonnen werden, desto günstiger ist die Auswirkung auf den Verlauf der MS. Wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig, dass der Zeitraum nach der Diagnosestellung entscheidend für den Verlauf der MS ist.9

Umgehend mit einer verlaufsmodifizierenden Therapie zu beginnen heißt, die Weichen für die Entwicklung der Krankheitszeichen zu stellen. Deshalb lautet die Therapieempfehlung der Fachgesellschaften generell, gleich zu starten und dann konsequent dabeizubleiben.4,9

Viele Menschen mit MS profitieren bereits nach dem ersten Schub von einem Beginn der Langzeittherapie – z. B. kann die Zeitspanne bis zum nächsten Schub hinausgezögert werden.9 Durch eine frühzeitige Behandlung kann die Zunahme körperlicher Einschränkungen gebremst und der Langzeitverlauf der MS deutlich verbessert werden. Versäumte Zeit in der frühen Phase der MS lässt sich im späteren Verlauf oft nicht mehr aufholen und eine schubförmige Form kann in eine progrediente Form mit zunehmender Behinderung übergehen.9

Ein gemeinsames Therapieziel: Freiheit von Krankheitsaktivität

Fortschritte in der Entwicklung neuer verlaufsmodifizierender Therapien tragen dazu bei, dass die MS immer wirksamer behandelt werden kann.9 Gleichzeitig steigen die Ansprüche an die Therapie und es werden höhere Maßstäbe gesetzt. Vor diesem Hintergrund wird heutzutage von einem Medikament für die verlaufsmodifizierende Therapie erwartet, dass es die bestmögliche Freiheit von Krankheitsaktivität bietet. So sollten Schädigungen im Nervensystem möglichst verhindert werden, Schübe gar nicht oder seltener auftreten und das Fortschreiten von körperlichen Einschränkungen weitgehend aufgehalten werden.

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Abb. 2: No Evidence of Disease Activity (kurz NEDA), also die „Freiheit von messbarer Krankheitsaktivität“ ist ein Therapieziel bei MS: Dabei müssen mehrere Faktoren erfüllt sein (erstellt nach 9,10).

Verschiedene MS-Therapieformen

Neben der verlaufsmodifizierenden Langzeittherapie, die in das Immunsystem eingreift und so die Schubfrequenz und Krankheitsaktivität langfristig reduziert, gibt es Therapien bei akuten Schüben sowie symptomatische Therapien. Die Schubtherapie ist eine Akuttherapie, die möglichst schnell die Symptome eines Schubes lindern und die Entzündung bekämpfen soll.11 Symptomatische Therapien beinhalten die gezielte Behandlung einzelner Beschwerden mit verschiedenen Medikamenten oder Physiotherapie. So kann beispielsweise eine eingeschränkte Gehfähigkeit sowohl durch Krankengymnastik als auch medikamentös behandelt werden.12 Seien Sie in Gesprächen mit Patient*innen aufmerksam und finden Sie heraus, wo gegebenenfalls noch Handlungsbedarf oder Unterstützung benötigt wird.

Referenzen

  1. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V. (2022): Was ist Multiple Sklerose (MS)?, in: dmsg.de, [online] https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/was-ist-ms [26.01.2023].
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) e. V. (2022): Leitlinie Multiple Sklerose für Patientinnen und Patienten, in: hirnstiftung.org, [online] https://hirnstiftung.org/2022/10/magazin-2-ms-patientenleitlinie/ [26.01.2023].
  3. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V. (2022): MS verstehen - Ursachen der MS, in: dmsg.de [online] https://www.dmsg.de/multiplesklerose/ ms-verstehen [26.01.2023].
  4. Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (2021): S2k-Leitlinie Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis Optica Spektrum und MOGIgG- assoziierte Erkrankungen, in: awmf.org [online] https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-050 [26.01.2023].
  5. amsel – Das Multiple Sklerose Portal (2014): Irrtum: Multiple Sklerose heiße automatisch Rollstuhl, in: amsel.de [online] https://www.amsel.de/multiple-sklerosenews/ medizin/irrtum-multiple-sklerose-heisse-automatisch-rollstuhl/ [26.01.2023].
  6. Hanne Marie Bøe Lunde et al. (2017): Survival and cause of death in multiple sclerosis: a 60-year longitudinal population study, in: Journal of neurology, neurosurgery, and psychiatry, 88 (8): 621-625, doi: https://doi.org/10.1136/jnnp-2016-315238.
  7. amsel – Das Multiple Sklerose Portal (2018): Irrtum: MS sei vererbbar, in: amsel.de [online] https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/irrtum-ms-sei-vererbbar/ [26.01.2023].
  8. Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (2018): Multiple Sklerose und Schwangerschaft, in: familienplanung.de [online] https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/beschwerden-undkrankheiten/ schwanger-mit-einer-chronischen-erkrankung/multiple-sklerose/ [26.01.2023].
  9. Gavin Giovannoni et al. (2018): Brain Health – Keine Zeit verlieren bei Multipler Sklerose, in: msbrainhealth.org, [online] https://www.msbrainhealth.org/wpcontent/ uploads/2021/05/de-brain-health-time-matters-in-multiple-sclerosis-policy-report- 2.pdf [26.01.2023].
  10. Lakha Pandit (2019): No Evidence of Disease Activity (NEDA) in Multiple Sclerosis - Shifting the Goal Posts, in: Annals of Indian Academy of Neurology, 22(3): 261-263, doi: https://doi.org/10.4103%2Faian.AIAN_159_19.
  11. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V. (2022): Was ist ein Schub?, in: dmsg.de, [online] https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/msbehandeln/ therapiesaeulen/schubtherapie [26.01.2023].
  12. Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e. V. (2022): Welche Ziele verfolgt die Symptomatische Therapie?, in: dmsg.de, [online] https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/ms-behandeln/therapiesaeulen/symptomatischetherapie [26.01.2023].
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