MS und Immunsystem: Wie es zu einem Schub kommt
Von Ihren Patienten mit Multipler Sklerose (MS) dürften Ihnen die typischen klinischen Merkmale der Erkrankung wie z. B. Sensibilitäts- und Koordinationsstörungen1 bekannt sein. Doch welche Prozesse im Körper sind für ihre Symptome, die oft in Form von Schüben verlaufen, verantwortlich? In diesem Beitrag schauen wir uns unser Immunsystem und die fehlgeleitete Immunreaktion bei MS genauer an.
Neuroimmunologie: Wenn das Immunsystem das Nervensystem beeinflusst
Die Immunologie befasst sich mit den Abwehrmechanismen unseres Körpers gegen Krankheitserreger wie z. B. Bakterien, Viren und Pilze2 und den möglichen Störungen dieser Abläufe. Für die Bekämpfung von Krankheitserregern ist unser Immunsystem zuständig, das aus der angeborenen und erworbenen Immunantwort besteht3. Das angeborene Immunsystem verfügt dabei über Abwehrmechanismen, die beim Kontakt mit einem Erreger sofort reagieren und diesen angreifen, z. B. mithilfe von Phagozyten (Fresszellen)3,4.
Im Unterschied dazu muss das erworbene Immunsystem mithilfe von „Proben“ des Erregers, den sogenannten Antigenen, aktiviert werden4. Daraufhin entwickeln sich B- und T-Lymphozyten zu spezialisierten Zellen, um den Erreger zu bekämpfen5. Zudem findet bei der erworbenen Immunantwort eine Gedächtnisbildung statt5, sodass bei einer erneuten Infektion mit dem Erreger eine schnelle Immunantwort eingeleitet wird6.
Bei MS richtet sich das Immunsystem gegen das körpereigene zentrale Nervensystem (ZNS)7. Damit gehört MS zu den sogenannten neuroimmunologischen Erkrankungen8. In der MS-Forschung untersuchen beispielsweise Neuroimmunologen die zugrundeliegenden Entzündungsprozesse8.
MS-Schub: Immunsystem außer Kontrolle
MS ist eine Autoimmunerkrankung9, d. h. das Immunsystem bekämpft fälschlicherweise den eigenen Körper10. Dabei greift es die Ummantelung, die sogenannten Myelinscheiden, der Nervenzellen im ZNS an7, was die Informationsübertragung der Nervenzellen beeinträchtigt oder vollständig zerstört11. Um die fehlgeleitete Reaktion besser zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick auf die ursächlichen immunologischen Prozesse. Diese sind übrigens bis heute Gegenstand der Forschung.
Zunächst gelangt eine Fehlinformation, die dem Myelin der Nervenzellen ähnelt, aus bislang ungeklärten Gründen in den Körper11,12. Das Myelin-ähnliche Antigen wird von Zellen der angeborenen Immunabwehr aufgefunden und dem erworbenen Immunsystem präsentiert12,13,14. Im Zuge dessen erkennen Lymphozyten auch das körpereigene Myelin fälschlicherweise als Bedrohung und werden aktiviert12,13. Es kommt – ausgelöst durch die angeborene und erworbene Immunantwort – im ZNS zu einer massiven Entzündungsreaktion, bei der die Myelinscheiden der Nervenzellen geschädigt werden12,15. Diese sogenannte Demyelinisierung kann langfristig auch zur Zerstörung der Nervenzellen selbst führen12,15. Bei den Patienten treten durch die Schädigung der Nerven bzw. ihrer Ummantelung die typischen MS-Symptome auf, wie z. B. Gefühls-, Bewegungs- oder Sehstörungen9. Häufig verlaufen die Beschwerden schubartig in Form des sogenannten MS-Schubes9.
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Referenzen
- https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-infos/was-ist-ms/; eingesehen am 21.09.2023
- https://dgfi.org/fuer-jedermann/; eingesehen am 21.09.2023
- Delves PJ and Roitt IM. The immune system. N Engl J Med 2000;343(1):37-49
- Parkin J and Cohen B. An overview of the immune system. Lancet 2001;357(9270):1777-1789
- Silbernagl S. et al. Taschenatlas Immunologie, Thieme Verlag. 9. Auflage
- flexikon.doccheck.com/de/Ged%C3%A4chtniszelle; eingesehen am 19.10.2023
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- Nutma E et al. Neuroimmunology - the past, present and future. Clin Exp Immunol 2019;197(3): 278-293
- Patientenleitlinie Multiple Sklerose, AWMF-Register-NR. 030-050; 1. Auflage, März 2022
- flexikon.doccheck.com/de/Autoimmunerkrankung; eingesehen am 19.10.2023
- Loma I. und Heyman R. Multiple Sclerosis: Pathogenesis and Treatment. Current Neuropharmacology. 2011. 9 : 409 – 416
- Demitrowitz N. et al. Multiple Sklerose: Neuroinflammation und -degeneration Hand in Hand; Kompass Autoimmun (2020) 2 (4): 147–150
- www.dmsg.de/multiple-sklerose/ms-verstehen; eingesehen am 19.10.2023
- Korn T. Pathophysiology of multiple sclerosis. J Neurol. 2018. 255 (Suppl 6): 2 - 6
- M. Kip et al. Weißbuch Multiple Sklerose 2016, Krankheitsbild Multiple Sklerose, DOI 10.1007/978-3-662-49204-8_1