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Seltene Erkrankungen, wie beispielsweise die Spinale Muskelatrophie, stellen oft komplexe, schwer zu diagnostizierende und wenig erforschte Krankheitsbilder dar. Das Verständnis für seltene Erkrankungen kann maßgeblich dazu beitragen, die Versorgung und das Wohlbefinden der Betroffenen zu verbessern und bei der Koordination von komplexen, interdisziplinären Therapieansätzen zu unterstützen. Deshalb ist es auch für die medizinische Fachkraft, als zentrale Schnittstelle in der Betreuung und ganz nah dran an den Patient*innen, hilfreich, ein gewisses medizinisches Basiswissen in diesem Bereich zu besitzen.

Was wissen Sie über „Spinale Muskelatrophie“? 

Die Spinale Muskelatrophie (kurz: SMA) ist eine genetisch bedingte neuromuskuläre Erkrankung und zeigt sich meist bereits im Kindesalter.1,2 In Deutschland sind etwa 1.000 – 1.500 Menschen davon betroffen.2

Bei der SMA sterben im Rückenmark liegende Nervenzellen ab, die für die Steuerung von Muskelbewegungen und für die Muskelkraft notwendig sind; Signale aus dem Gehirn gelangen zwar zu den Nervenzellen des Rückenmarks, aufgrund der Degeneration motorischer Nervenzellen werden sie jedoch immer schlechter an die Muskeln weitergeleitet.3

Ursprünglich erfolgte die Klassifikation der unterschiedlichen Formen der SMA je nach erstem Auftreten und Schweregrad der Erkrankung in 5 Typen. Aufgrund neuer Therapiemöglichkeiten wurde jedoch eine neue Unterteilung erforderlich: Haben die betroffenen Kinder das Sitzen nicht erlernt oder die Fähigkeit dazu wieder verloren, so bezeichnet man diesen Typ als Non-Sitter (früher als Typ 1 bezeichnet). Beim Typ Sitter (ehemals Typ 2) können die Betroffenen zwar frei Sitzen, erreichen jedoch keine Geh- oder Stehfähigkeit. Wenn Betroffene zumindest zeitweilig die Gehfähigkeit erreichen, spricht man vom Typ Walker (vormals Typ 3).4 Eine adulte SMA manifestiert sich erst im Erwachsenenalter und stellt die seltenste Form dieser Erkrankung dar. Sie beginnt zumeist schleichend und schreitet nur langsam fort.5

Ursache der SMA 

Bei SMA wird aufgrund eines Verlusts oder Defekts des Gens SMN1 nicht ausreichend SMN-Protein gebildet.1 Dieses Protein ist für die Funktion von Motoneuronen, die die Muskeln steuern, von zentraler Bedeutung.5 Es existiert im menschlichen Körper zwar noch das SMN2-Gen, das aber nur teilweise die Protein-Bildung kompensieren kann. Der Schweregrad der SMA korreliert mit der verbleibenden Menge an SMN-Protein, die noch gebildet wird.1

 

Vererbung der SMA 

Die genetische Ursache der SMA ist eine Veränderung der Erbsubstanz und kann über Generationen hinweg unbemerkt weitergegeben werden, ohne zur Erkrankung zu führen. Erst wenn beide Elternteile ein verändertes/defektes Gen weitervererben, kann die spinale Muskelatrophie auftreten.3

Symptome der SMA 

Die Erkrankung beeinträchtigt alle Muskeln des Körpers. Am schwersten betroffen sind die sogenannten proximalen Muskeln (die dem Rumpf am nächsten sind, z. B. Schulter-, Hüft- und Rückenmuskulatur). Auch kann die Muskulatur für das Atmen, Kauen oder Schlucken betroffen sein.5 Häufig kommt eine seitliche Wirbelsäulenverkrümmung hinzu (Skoliose).2

Sinneswahrnehmungen wie Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und die Hautsensibilität sind hingegen nicht betroffen. Auch die intellektuellen Fähigkeiten entwickeln sich normal.5

Diagnose der SMA 

Liefern die körperlichen Anzeichen bei einer neurologischen Untersuchung sowie die entsprechende Krankengeschichte Anlass für einen Verdacht, wird eine Blutentnahme für molekulargenetische Untersuchungen entnommen. Hierbei wird das Vorhandensein, eine Mutation (= Veränderung) oder die Abwesenheit des SMN1-Gens sowie die Anzahl der SMN2-Kopien festgestellt. In den seltenen Fällen, in denen der Blut-DNA-Test kein Ergebnis liefert, können weitere Untersuchungen wie beispielsweise eine Muskelbiopsie für die Diagnose erforderlich sein.4

Seit Oktober 2021 gehört das Screening auf den Gendefekt für spinale Muskelatrophie (SMA) zu den Früherkennungsuntersuchungen bei Neugeborenen.5

 

 

Behandlung der SMA 

Die SMA ist eine fortschreitende Erkrankung, d. h., ohne Behandlung verschlechtert sich der Gesundheitszustand kontinuierlich.2 Daher sind eine frühzeitige Diagnose und Behandlung äußerst wichtig.4 Eine dauerhafte Heilung dieser Erkrankung gibt es bisher nicht.2 Allerdings sind derzeit drei verschiedene Medikamente zur Behandlung der SMA verfügbar.* Sie unterscheiden sich zwar im Wirkmechanismus sowie in der Art ihrer Anwendung, aber sie haben alle das Ziel, die Produktion von funktionstüchtigen SMN-Proteinen anzukurbeln.5

 

Hilfe im Alltag mit SMA 

Mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung sind Kinder und erwachsene Betroffene sowie deren Angehörige auf eine dauerhafte Hilfe und Betreuung angewiesen. Insbesondere die Versorgung mit adäquaten Hilfsmitteln, wie beispielsweise ein Rollstuhl oder ein passendes Auto, ist unumgänglich, um eine ausreichende Mobilität zu gewährleisten. Häufig ist eine 24-stündige Assistenz erforderlich.2

Zudem können im Verlauf der Erkrankung eventuell Orthesen oder orthopädische Operationen notwendig sein. Regelmäßige Physiotherapie wirkt dem Muskelabbau entgegen und hilft, die vorhandene Muskelkraft zu erhalten.5 Kenntnisse über die Handhabung von technischen sowie medizinischen Maßnahmen bei der Unterstützung der Atmung oder der Ernährung werden möglicherweise erforderlich.6 Und auch das Stellen von Anträgen auf Unterstützungsgelder kann zu einer Herausforderung werden.

Hilfe, Beratung und Informationen dazu finden Betroffene und Angehörige bei diversen Organisationen und Patientenvereinigungen. Links zu den wichtigsten dieser Organisationen finden sich auf der interaktiven Plattform SMAlltalk. Diese Website von Biogen bietet Menschen mit SMA und ihren Angehörigen die Möglichkeit für einen Austausch zu Alltagsthemen rund um das Leben mit spinaler Muskelatrophie. Gerne stellt auch das Service-Center für seltene Erkrankungen von Biogen ein umfangreiches Informations- und Service-Material zur Verfügung und beantwortet sämtliche Fragen rund um die Erkrankung. Das Service-Team ist telefonisch erreichbar unter der 0800 070 44 00 (gebührenfrei) oder per E-Mail unter info@seltene-erkrankungen.de.

* Stand August 2024 

Referenzen: 

  1. Tisdale S, Pellizzoni. Disease mechanisms and therapeutic approaches in spinal muscular atrophy. J Neurosci 2015; 35(23): 8691 – 700
  2. Deutsche Hirnstiftung. Spinale Muskelatrophie (SMA). https://hirnstiftung.org/alle-erkrankungen/spinale-muskelatrophie-sma/ (eingesehen am 29.08.2024)
  3. Schweizerische Muskelgesellschaft. Spinale Muskelatrophien (SMA). https://www.muskelgesellschaft.ch/diagnosen/spinale-muskelatrophien-sma/ (eingesehen am 29.08.2024)
  4. AWMF. S1-Leitlinie Spinale Muskelatrophie (SMA), Diagnostik und Therapie. Stand: 02.12.2020; https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/022-030 (eingesehen am 29.08.2024)
  5. Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke. Wissenswertes: Spinale Muskelatrophien (SMA). https://www.dgm.org/sites/default/files/2023-11/Wissenswertes%20Spinale%20Muskelatrophie_10_2023.pdf (eingesehen am 29.08.2024)
  6. initiative-sma.de. Leitfaden zu den Internationalen Therapiestandards für Spinale Muskelatrophie 2017. https://www.initiative-sma.de/wp-content/uploads/2020/03/Leitfaden-Therapiestandards-SMA_2020.pdf (eingesehen am 29.08.2024)
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